Digitalisierung, Kommunikation & Partizipation

Digitalisierung bezeichnet den Prozess der Umwandlung analoger Informationen und Abläufe in digitale Formate und Technologien. Zum einen ermöglicht sie für entwicklungspolitische Vereine und Initiativen vor allem effizientere Arbeitsprozesse und eine verbesserte Kommunikation durch die Erfassung, Verarbeitung und Speicherung von Daten in digitaler Form. Zum anderen eröffnen sich durch die Digitalisierung besonders für Länder im Globalen Süden viele Chancen. Im Bildungsbereich etwa ermöglicht die Digitalisierung den Zugang zu Online-Kursen und -Ressourcen, die die Bildungschancen erheblich verbessern und es Lernenden in abgelegenen Regionen ermöglichen, qualitativ hochwertige Bildung zu erhalten. Sie bietet zudem zahlreiche weitere Vorteile, wie eine effizientere Verwaltung von Prozessen, verbesserte Kommunikation und den Zugang zu Informationen. Hierdurch kann flexibler, transparenter und barrierefreier gearbeitet werden. Zudem kann die Zusammenarbeit über große Distanzen erheblich erleichtert werden, weshalb viele Menschen die Hoffnung hegen, dass die Digitalisierung den Ländern des Globalen Südens bessere Chancen bietet. Und tatsächlich sind durch digitalen Handel und die Vergabe digitaler Aufträge zahlreiche neue Arbeitsplätze vor allem im Bereich „Crowdworking“ entstanden.

Doch trotz dieser Vorteile und Chancen bringt die Digitalisierung auch erhebliche Herausforderungen mit sich, wie die Gefahr von Datenmissbrauch und die zunehmende digitale Kluft zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen, die als „digital divide“ gefasst wird und insbesondere in vielen Ländern des Globalen Südens sehr ausgeprägt ist, da hier Infrastruktur und Zugang zu Technologien oft unzureichend sind. Zudem ist bei der Plattformarbeit die Konkurrenz sehr groß, was den Auftraggebern die Möglichkeit gibt, die Rahmenbedingungen zu ihren Gunsten zu gestalten.

Empirische Untersuchungen deuten zudem darauf hin, dass die Rückverlagerung industrieller Produktion aus dem Globalen Süden (sog. Reshoring) signifikant zunimmt. So führen Digitalisierung und Veränderungen in den Produktionsprozessen zu niedrigeren Arbeitskosten, die zuvor einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil für Länder des Globalen Südens ausmachten. Unternehmen, die ihre Produktionsprozesse stärker digitalisierten, neigen somit weniger dazu, Funktionen ins Ausland zu verlagern.

Diese und viele weitere Punkte machen deutlich, dass es daher unerlässlich ist, dass wir nicht nur die positiven Aspekte der Digitalisierung fördern, sondern auch Strategien entwickeln, um die negativen Folgen zu minimieren und eine inklusive digitale Zukunft zu gestalten. Denn ohne Regulierung droht die Digitalisierung, die bestehende Ungleichheit innerhalb der Länder sowie zwischen dem Globalen Süden und Norden eher weiter zu verschärfen, anstatt sie zu minimieren.

In diesem Sinne ist auch das Internet ein zweischneidiges Schwert: Einerseits fördert es Freiheit, indem es globalen Zugang zu Informationen bietet, den Ideenaustausch erleichtert und die Vernetzung sowie freie Meinungsäußerung ermöglicht. Andererseits kann es aber auch als Kontrollinstrument dienen, da Regierungen und Unternehmen Überwachungs- und Zensurtechnologien nutzen können, um den Datenverkehr zu überwachen und den Zugang zu bestimmten Inhalten einzuschränken, was die Privatsphäre bedroht.

Besonders deutlich wurde dies beispielsweise im Kontext des Arabischen Frühlings. So diente das Internet hier vielen Aktivisten als Kommunikations- und Informationsmedium und ermöglichte es vielen Menschen sich zu organisieren. Infolgedessen begannen aber einige repressive Staaten damit digital aufzurüsten. Auf der einen Seite um Überwachungstechnologien zu installieren und gezielt Daten zu sammeln, womit bspw. Protestposts als Beweismittel genutzt wurden, was zur Inhaftierung vieler Aktivisten führte. Auf der anderen Seite aber auch, um den Zugang zu Informationen zu unterbinden und bspw. Social Media Plattformen oder andere Websites zu sperren. Hierdurch konnten einige digitale Proteste geschwächt und Widerstand unterdrückt werden.

Wie an vielen Beispielen deutlich wird, hat das Internet in liberalen Demokratien hingegen eher seine emanzipatorische Kraft entfaltet. So nutzen Bürger Smartphones, um Polizeigewalt und rassistische Übergriffe zu dokumentieren, Aktivisten setzen den Staat unter Druck, für mehr Transparenz zu sorgen, und Blogger schaffen zivilgesellschaftliche Gegenöffentlichkeiten, auch wenn die Kontrolle der digitalen Öffentlichkeit durch wenige kapitalistische Konzerne erschwert wird.

In vielen Ländern des Globalen Südens wurden Soziale Medien hingegen oftmals zu Brutstätten von Desinformation, Hass und Gewalt. Besonders deutlich wird dies in Ländern wie Mali und der Zentralafrikanischen Republik, wo die Wagner-Söldnergruppe gezielt Desinformationen einsetzt, indem sie über soziale Medien gefälschte Nachrichten und propagandistische Inhalte verbreitet. Ziel ist es, die lokale Unterstützung für russische Interessen zu stärken und die eigene Präsenz und Einflussnahme in der Region zu legitimieren. Dies liegt mitunter auch daran, dass in diesen Regionen die Plattformen noch weniger effektiv gegen solche Inhalte agieren als bspw. in den USA und Europa.

Die Facebook Papers von 2021 zeigten demnach, wie der Konzern Meta in Ländern wie Indien und Äthiopien daran scheitert, irreführende Beiträge und Gewaltaufrufe zu verhindern, da nicht genug in Faktenprüfer, Moderatoren und passende Algorithmen investiert wird. Diese Algorithmen fördern oft besonders emotionale und polarisierende Inhalte, was die Probleme noch verschärft. Trotz dieser Herausforderungen nutzen Menschen in repressiven Staaten weiterhin soziale Medien für ihren Widerstand.

Frauen im Iran posteten zum Beispiel auf Instagram Videos, in denen sie ohne Kopftuch tanzen, um gegen die Moralpolitik des Regimes zu protestieren. In Nigeria organisierten sich 2020 viele junge Menschen unter dem Hashtag #EndSARS auf X (ehemals Twitter), um gegen Polizeigewalt zu demonstrieren.

Die Reaktionen der Regierungen sind häufig ähnlich: Sie blockieren den Zugang zu sozialen Medien. So wurden etwa Facebook und Twitter im Iran gesperrt, Twitter in Nigeria vorübergehend blockiert und auch in der Türkei wurden Plattformen wie Wikipedia jahrelang unzugänglich gemacht. Einige Menschen umgehen diese Sperren mit Verschlüsselungs- und Anonymisierungstools, aber Netzsperren bleiben ein wirksames Mittel gegen digitalen Protest.

Vor allem vor Wahlen oder während Protesten hat es sich besonders in einigen afrikanischen und asiatischen Ländern bewährt das Internet in einigen Regionen sogar ganz abzuschalten. Dies nimmt der Bevölkerung die Möglichkeit, sich zu informieren und zu vernetzen. Laut der NGO Access Now gab es bspw. 2020 weltweit 155 solcher Shutdowns, wobei Indien mit 109 Abschaltungen an der Spitze stand. Insgesamt summierten sich diese Shutdowns auf über 3.000 Tage.

Gleichzeitig ist es wichtig zu verstehen, dass auch viele unserer Entscheidungen im Globalen Norden und unser alltägliches Verhalten im digitalen Raum weitreichende Auswirkungen auf unsere Umwelt, die Gesellschaft und insbesondere auf die Menschen im Globalen Süden haben. Jede Online-Aktivität, von der Nutzung sozialer Medien bis hin zum Online-Shopping, hinterlässt einen ökologischen Fußabdruck und beeinflusst globale Produktionsketten. Zudem können digitale Innovationen sowohl Chancen als auch Herausforderungen für Länder im Globalen Süden mit sich bringen, indem sie den Zugang zu Bildung und Märkten verbessern, aber auch Ungleichheiten und Abhängigkeiten verstärken.

Die Digitalisierung hat sich in den letzten Jahren rasant und in zahlreichen Bereichen vollzogen, oft ohne dass Zeit zur Reflexion blieb. Im Globalen Norden wurden nahezu alle Lebensbereiche digitalisiert, häufig ohne zu überprüfen, ob die Prozesse fair, nachhaltig und sinnvoll sind. Der Digitalisierungsprozess ist mittlerweile weitaus größer und weiter vorangeschritten, als auf den ersten Blick vermutet werden könnte. Nicht nur ein Blick auf die weltweit größten und wertvollsten Konzerne verdeutlicht die erreichten Dimensionen, sondern auch die Reflexion des eigenen Alltagslebens macht dies mehr als deutlich. Die allgegenwärtige Nutzung von Smartphones, Online-Diensten und digitalen Plattformen zeigt, wie tief die Digitalisierung in unser tägliches Leben eingedrungen ist.

Das Smartphone ist mittlerweile ein stetiger Begleiter durch den Tag und öffnet die digitale Welt potenziell immer und überall. Es ist selbstverständlich geworden, dass wir digital kommunizieren – sei es über Mitteilungs-Apps, E-Mails oder soziale Medien. Unsere Medien konsumieren wir digital über Mediatheken, Podcasts, Musik- und Filmstreaming-Dienste sowie E-Books. Wir bezahlen digital mit dem Smartphone, PayPal oder Kreditkarten und kaufen zunehmend online ein. Viele von uns arbeiten größtenteils digital und beziehen ihr Wissen aus digitalen Informationsquellen. Von morgens bis abends sind wir umgeben von Nullen und Einsen.

Doch was wissen wir wirklich über Spotify, Microsoft Excel, PayPal, Google, Netflix, TikTok, WhatsApp und Amazon? Sollten wir tatsächlich alles bedenkenlos nutzen? Gibt es möglicherweise bessere Alternativen zu den Big Tech-Unternehmen? Und was passiert eigentlich mit all den Daten, die durch unsere Nutzung generiert werden? Haben alle Menschen weltweit den gleichen Zugang zu Daten und digitalen Angeboten? Wenn nicht, was bedeutet das konkret für das Leben der einzelnen Menschen?

Wie können digitale Angebote fair und nachhaltig gestaltet werden, sodass niemand darunter leidet und möglichst viele Menschen weltweit davon profitieren können? Es ist wichtig, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen, um ein besseres Verständnis für die Auswirkungen der Digitalisierung zu entwickeln. Oft sind die Daten, die wir preisgeben, wertvolle Ressourcen für Unternehmen, die daraus Profite schlagen, während der Schutz unserer Privatsphäre auf der Strecke bleibt. Zudem gibt es erhebliche Unterschiede im Zugang zu digitalen Technologien und Diensten, was zu einer Vertiefung der globalen Ungleichheiten führt.

Und doch machen wir uns so selten Gedanken darüber, was wir tagtäglich konsumieren, wie diese digitalen Produkte funktionieren und hergestellt werden, welche Alternativen es gäbe und welche Art von Welt durch unser Digitalverhalten geschaffen wird. Dabei ist es entscheidend zu verstehen, dass die Digitalisierung nicht nur zahlreiche Chancen und Vorteile mit sich bringt, sondern auch viele Risiken, Herausforderungen und Nachteile birgt. Es wird auch deutlich, dass diese Vor- und Nachteile sowie Chancen und Risiken nicht überall auf der Welt gleich verteilt sind. Während einige Regionen von den Vorteilen der digitalen Transformation profitieren, bleiben andere oft zurück und müssen sich mit den negativen Folgen auseinandersetzen.

Um digitale Angebote fair und nachhaltig zu gestalten, müssen ethische Standards und Datenschutzrichtlinien eingehalten werden. Es sollten Mechanismen eingeführt werden, die sicherstellen, dass die Vorteile der Digitalisierung gerecht verteilt werden und nicht auf Kosten der Schwächsten gehen. Das bedeutet auch, dass Analysen der digitalen Entwicklung daher nicht primär auf die Geschäftsmöglichkeiten transnationaler Unternehmen ausgerichtet sein sollten, sondern vielmehr auf Armutsbekämpfung, Nachhaltigkeit sowie auf eine sozial gerechte und ökologisch nachhaltige Entwicklung im Sinne der Sustainable Development Goals. Zusätzlich sollten handelspolitische Regeln zum E-Commerce, wie freier Datenverkehr, Lokalisierungs- oder Besteuerungsverbote vermieden werden, da sie eine eigenständige Entwicklung in den Ländern des Globalen Südens untergraben. Schließlich sollte weiterhin versucht werden Wissen kostenlos zugänglich zu machen und westliche digitale Lernplattformen sollten stärker mit denen in den Ländern des Globalen Südens vernetzt werden.

All dies erfordert internationale Zusammenarbeit, transparente Geschäftsmodelle und eine Stärkung digitaler Kompetenzen, damit alle Menschen die Chancen der digitalen Welt nutzen können.


Als Fachpromoter für „Kommunikation, Digitalisierung und Partizipation“ zeigt Dr. Daniel Burghardt, dass eine differenzierte Betrachtung der Digitalisierung notwendig ist, um sowohl ihre positiven als auch negativen Aspekte zu erkennen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, um eine gerechte und nachhaltige digitale Zukunft zu gestalten.
Zudem informiert und berät er entwicklungspolitische Initiativen und Vereine sowie andere Akteure der Eine Welt-Arbeit im Bereich Digitalisierung und Kommunikation und stellt diesen ein Know-how zur Benutzung bestimmter digitaler Medien zur Verfügung. Er unterstützt beim digitalen Empowerment, das dazu beitragen soll Themen und Anliegen, der Eine-Welt-Arbeit im digitalen Raum zu präsentieren und öffentlichkeitswirksame Projekte und Kooperationen zu initiieren.

Wenden Sie sich an Dr. Daniel Burghardt, wenn:

  • Sie Unterstützung im Bereich Digitalisierung und Öffentlichkeitsarbeit benötigen
  • Sie ihre Online- und Social Media Präsenz ausbauen und sich mit anderen Initiativen und Vereinen digital vernetzen wollen
  • Sie Informationen und Beratungen zu Onlinekampagnen suchen

Kontakt:
E-Mail: daniel.burghardt@epn-hessen.de