Digital Divide

Unter dem Begriff „digital divide“ versteht man die Kluft zwischen Bevölkerungsgruppen, die Zugang zu modernen Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) haben, und denen, die keinen oder nur eingeschränkten Zugang dazu besitzen. Diese Kluft kann sich sowohl auf geografische Unterschiede (zwischen verschiedenen Ländern oder Regionen) als auch auf soziale und wirtschaftliche Unterschiede innerhalb eines Landes beziehen.

Der digital divide manifestiert sich in verschiedenen Dimensionen:

  • Zugang: Unterschiede in der Verfügbarkeit von Breitbandinternet, Computern und mobilen Geräten.
  • Nutzung: Unterschiede in der Fähigkeit und im Wissen, diese Technologien effektiv zu nutzen.
  • Qualität: Unterschiede in der Qualität und Geschwindigkeit des verfügbaren Internets.

Die Ursachen für den digital divide sind vielfältig und umfassen ökonomische Faktoren, Bildungsniveau, technologische Infrastruktur, politische und regulatorische Rahmenbedingungen sowie kulturelle Aspekte.

Die Auswirkungen des digital divide sind erheblich. Menschen und Gemeinschaften ohne Zugang zu digitalen Technologien sind oft von wichtigen Informationen, Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten, Gesundheitsdiensten und sozialer Teilhabe ausgeschlossen. Der Abbau dieser Kluft ist daher ein zentrales Ziel vieler Entwicklungsprogramme und Politikstrategien weltweit, um Chancengleichheit und soziale Gerechtigkeit zu fördern.

Besonders augenscheinlich tritt diese Kluft zwischen den Ländern des Globalen Nordens und des Globalen Südens zutage. So belegen Untersuchungen der Vereinten Nationen, dass die Länder des Globalen Südens, mit wenigen Ausnahmen, in der Digitalwirtschaft und im elektronischen Handel weitgehend marginalisiert sind.

Hinzu kommt, dass zwar durchaus einige Start-ups im Globalen Süden entstehen, die digitale Lösungen für lokale Probleme entwickeln, doch hinter den erfolgreichen Projekten stehen oft Investoren aus Industriestaaten, die einen erheblichen Teil der Gewinne abschöpfen. So wurden vor allem in einigen afrikanischen Metropolen wie Nairobi, Kapstadt, Lagos und Kigali zahlreiche junge Technologie-unternehmen gegründet, die kreative Geschäftsideen hervorbringen konnten. Beispielsweise gibt es kleine Unternehmen, die aus Elektroschrott 3D-Drucker herstellen, und andere Mikro-Firmen, die Plastikabfälle nutzen, um im 3D-Druck einfache Gerätschaften für Schulen und Krankenhäuser, wie etwa Prothesen, zu produzieren. In Ländern wie Tansania und Ruanda ermöglichen Solarkioske das Aufladen von Handys sowie den Kauf von Telefon- und WLAN-Guthaben. Besonders weit verbreitet sind mobile Bezahldienste wie Kenias M-Pesa, mit denen per Handyguthaben und SMS eine Vielzahl von Gütern und Dienstleistungen bezahlt werden kann, von der Tankfüllung bis zur Stromrechnung.

Eine genauere Betrachtung zeigt jedoch, dass hinter vielen afrikanischen Digitalunternehmen ausländische Investoren stehen. Die Profite, die von erfolgreichen Start-ups erzielt werden, fließen oft in Industriestaaten des Nordens ab. Start-ups und Unternehmen ohne Investoren aus dem Globalen Norden haben hingegen fast keine Chance sich gegen die weltweit agierenden Konzerne der Big Tech durchzusetzen.

Neben der ungleichen Infrastruktur liegt dies auch daran, dass die großen Digitalkonzerne dazu übergegangen sind, ihre Software, Designs und Marken möglichst lange exklusiv zu nutzen und Verstöße gegen ihre Patente sensibel zu sanktionieren. Das große Schutzbedürfnis dieser mächtigen Unternehmen zeigt sich dabei unter anderem in der zunehmenden Anzahl von Patentanmeldungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz, wobei der Großteil dieser Anmeldungen aus nur wenigen Industriestaaten stammt.

Menschenrechtsorganisationen sprechen daher nicht selten von einer modernen Form des Kolonialismus, diesmal jedoch im digitalen Zeitalter. So werden erneut Ressourcen, wie etwa Lithium und seltene Erden sowie Daten und Arbeitskräfte im Globalen Süden ausgebeutet. Hinzu kommen große Technologiekonzerne, die heutzutage durch die Kontrolle über zentrale digitale Infrastrukturen, Daten sowie Rechenkapazitäten die Welt dominieren. Besonders deutlich wird die Bedeutung, die dieser Kontrolle zukommt, wenn man einen Blick auf digitale Wahlkämpfe, Debatten und sogar öffentliche Gesundheitskampagnen wirft, die allesamt über private Plattformen laufen. Wenn Instagram, Facebook oder WhatsApp neue Nutzungsbedingungen festlegen, sind alle gezwungen, diesen zuzustimmen.

Aber auch in der Eine-Welt-Arbeit sollten wir uns bewusst sein, dass die Nutzung digitaler Formate dazu führen kann, dass vorhandene Ungleichheiten „digital reproduziert“ werden und neue Ungleichheiten entstehen. Doch kann die Digitalisierung bestehende Ungleichheitsformen auch überwinden? Ein wichtiger Aspekt ist beispielsweise die Barrierefreiheit im Online-Raum. Eine inklusive und diskriminierungssensible Digitalisierung kann viele Möglichkeiten für Menschen mit Einschränkungen bieten. Diese Möglichkeiten umfassen beispielsweise blindengerechte Websites, nicht ortsgebundene Bildungsangebote wie Online-Veranstaltungen, die Verwendung von Sprachausgaben, das Einrichten von Vorlesefunktionen auf Mobilgeräten oder die Anpassung an persönliche Lernstile durch multimediale Inhalte. Das Versäumnis einer barrierefreien Ausgestaltung wird jedoch bestehende Einschränkungen auch im digitalen Raum fortsetzen.

Neben der Barrierefreiheit sind auch Auswirkungen von Alter und sozioökonomischem Status auf den Zugang zu Informationstechnologien zu berücksichtigen. Die Digitalisierung kann der Eine-Welt-Arbeit die Möglichkeit bieten, Ländergrenzen zu überwinden und Begegnungen mit Menschen zu schaffen, die sonst nicht oder nur unter großem Aufwand möglich wären.

Übrigens wird in diesem Kontext manchmal auch von „digital gap“ gesprochen. Der Unterschied zwischen „digital gap“ und „digital divide“ liegt hauptsächlich in ihrer Verwendung und Konnotation:

Digital Gap: Der Begriff „digital gap“ wird oft verwendet, um auf spezifische Unterschiede oder Lücken in der digitalen Kompetenz, im Zugang zu Technologien oder in der Nutzung digitaler Ressourcen hinzuweisen. Es kann sich auf eine breite Palette von Diskrepanzen beziehen, wie z.B. die Lücke zwischen verschiedenen Altersgruppen, Geschlechtern oder geografischen Regionen in Bezug auf digitale Fähigkeiten und Zugang zu Technologien.

Digital Divide: „Digital divide“ ist ein weiter gefasster Begriff, der die strukturelle Ungleichheit im Zugang zu Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) und dem Internet beschreibt. Er umfasst nicht nur den physischen Zugang zu Geräten und Internetverbindungen, sondern auch Unterschiede in der Qualität des Zugangs, der digitalen Kompetenz und der Fähigkeit, digitale Technologien effektiv zu nutzen. Der digitale Graben betrifft oft sozioökonomische Unterschiede und kann auf nationaler, regionaler und globaler Ebene auftreten.

Zusammengefasst kann man sagen, dass „digital gap“ spezifische Unterschiede innerhalb des breiteren Konzepts der „digital divide“ darstellt, wobei letzteres die umfassendere und strukturellere Ungleichheit im digitalen Zugang und in der Nutzung beschreibt.

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