Nicht nur wegen der schwächeren Infrastruktur kann der Globale Süden häufig nicht von den Chancen der Digitalisierung profitieren. Dies liegt auch daran, dass die großen Digitalkonzerne dazu übergegangen sind, ihre Software, Designs und Marken möglichst lange exklusiv zu nutzen und Verstöße gegen ihre Patente sensibel zu sanktionieren. Das große Schutzbedürfnis dieser mächtigen Unternehmen zeigt sich dabei unter anderem in der zunehmenden Anzahl von Patentanmeldungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz, wobei der Großteil dieser Anmeldungen aus nur wenigen Industriestaaten stammt.
Start-ups im Globalen Süden: Lokale Lösungen, aber ausländische Investoren
Auch ein Blick auf Start-ups im Globalen Süden zeigt, dass zwar durchaus einige Start-ups im Globalen Süden entstehen, die digitale Lösungen für lokale Probleme entwickeln, doch hinter den erfolgreichen Projekten stehen oft Investoren aus Industriestaaten, die einen erheblichen Teil der Gewinne abschöpfen. So wurden vor allem in einigen afrikanischen Metropolen wie Nairobi, Kapstadt, Lagos und Kigali zahlreiche junge Technologie-Unternehmen gegründet, die kreative Geschäftsideen hervorbringen konnten. Beispielsweise gibt es kleine Unternehmen, die aus Elektroschrott 3D-Drucker herstellen, und andere Mikro-Firmen, die Plastikabfälle nutzen, um im 3D-Druck einfache Gerätschaften für Schulen und Krankenhäuser, wie etwa Prothesen, zu produzieren. In Ländern wie Tansania und Ruanda ermöglichen Solarkioske das Aufladen von Handys sowie den Kauf von Telefon- und WLAN-Guthaben. Besonders weit verbreitet sind mobile Bezahldienste wie Kenias M-Pesa, mit denen per Handyguthaben und SMS eine Vielzahl von Gütern und Dienstleistungen bezahlt werden kann, von der Tankfüllung bis zur Stromrechnung.
Start-ups und Unternehmen ohne Investoren aus dem Globalen Norden haben hingegen fast keine Chance sich gegen die weltweit agierenden Konzerne der Big Tech durchzusetzen.
Ressourcen- und Datenextraktion: Digitaler Kolonialismus?
Menschenrechtsorganisationen sprechen daher nicht selten von einer modernen Form des Kolonialismus, diesmal jedoch im digitalen Zeitalter. So werden zum einen erneut Ressourcen, wie etwa Lithium und seltene Erden sowie Daten und Arbeitskräfte im Globalen Süden ausgebeutet. Zum anderen wird der Globale Süden zunehmend Schauplatz geopolitischer Konkurrenz und in neue Abhängigkeiten verstrickt. Dementsprechend dienen digitale Entwicklungsprogramme häufig nicht primär den Bedürfnissen der betroffenen Länder, sondern den strategischen Interessen der Geberländer, wie exemplarisch an Chinas „Digitaler Seidenstraße“ oder dem „Globale-Gateway“-Programm der EU deutlich wird. Hinzu kommen große Technologiekonzerne, die heutzutage durch die Kontrolle über zentrale digitale Infrastrukturen, Daten sowie Rechenkapazitäten die Welt dominieren. Besonders deutlich wird die Bedeutung, die dieser Kontrolle zukommt, wenn man einen Blick auf digitale Wahlkämpfe, Debatten und sogar öffentliche Gesundheitskampagnen wirft, die allesamt über private Plattformen laufen. Wenn Instagram, Facebook oder WhatsApp neue Nutzungsbedingungen festlegen, sind alle gezwungen, diesen zuzustimmen.
Bevor wir uns aber näher den Social Media Plattformen zuwenden, macht es Sinn zunächst einen Blick auf das Themengebiet Daten bzw. Datensicherheit, Überwachung sowie Datenmissbrauch zu werfen.