Hildegard Schürings ist Geschäftsführerin und Gründungsmitglied von Imbuto e.V., der 2021 seinen 20sten Geburtstag feiert. Sie ist Erziehungswissenschaftlerin und war beruflich viele Jahre als Beraterin in der Entwicklungszusammenarbeit tätig, meistens auf dem afrikanischen Kontinent. Der Verein hat Mitglieder:innen in sechs Ländern aus Europa und Afrika. Viele Mitglieder:innen sind in Rwanda geboren oder haben dort gearbeitet.
Der Krieg und Genozid 1990-1994 in Rwanda hat Imbutos Arbeit sehr geprägt.
Was hat sich seit dem Beginn der Pandemie für Eure Arbeit geändert?
Aufgrund der Internationalität haben wir seit Gründung von Imbuto vorrangig über die Kontinente hinweg digital kommuniziert. Dies hat sich natürlich noch verstärkt. Für die Erstellung des neuen Webportals hat ein engagiertes Imbuto-Team über acht Monate vierzehntägig Online-Sitzungen organisiert. Etwa 80% unserer Aktivitäten der letzten 20 Jahre sind dort dokumentiert. Mit dem Ergebnis sind wir sehr zufrieden, und es hat viel Spaß gemacht! Es war ein Prozess des Gestaltens und des „Wiederentdeckens“. Themen wie Migration, Interkulturalität, Gegen Rassismus, Friedensförderung, zu denen wir seit 20 Jahren arbeiten, sind bis heute relevant. Unsere Lernerfahrungen und Konzepte können wir nun mit Nutzer:innen des neuen Portals teilen.
Der Mangel an sozialer Kommunikation ist schwierig. Über Online-Formate lassen sich die Situation und Reaktion von Menschen schwer einschätzen, es fehlen die Botschaften über Gestik und Körperhaltung. Lange Online-Sitzungen erfordern hohe Konzentration und sind ermüdend. Wir arbeiten alle ehrenamtlich, viele sind berufstätig und haben Kinder, daher können wir uns nur abends oder am Wochenende austauschen.
Was habt Ihr unternommen, um mit der neuen Situation umzugehen?
Da keine Präsenz-Veranstaltungen möglich waren, haben wir das neue Portal und eine Webseite mit Blogs erstellt. Das erste Blog „Corona auf dem Nachbarkontinent Afrika“ mit der Unterseite „Afrika der Vielfalt“ ist eine Art internationaler Medienspiegel, der ein breites Spektrum abdeckt. Es gibt Beiträge auf Deutsch, Englisch und Französisch aus ca. 40 Medien in Deutschland, Belgien, Frankreich, Algerien, Tunesien, Senegal, und Kenya. Die Beiträge sind Debatten, Videos, Fotos und Artikel.
Im Juli haben wir ein weiteres Blog „Black Lives Matter“ gestaltet. Dort geht es um lokale und eigene Diskriminierungserfahrungen wie z.B. die Ermordung von neun Personen in Hanau, internationale Reaktionen auf die Ermordung von George Floyd und um die Kolonialzeit, mit einem kritischen Blick auf die ehemaligen Kolonialmächte Belgien und Deutschland.
Was habt Ihr während dieses Jahres gelernt und welche Chancen seht Ihr jetzt?
Was wir auf jeden Fall für die Zukunft mitnehmen werden, sind die Online-Sitzungen. Durch dieses Format haben wir Zugang zu vielen Veranstaltungen. Ich habe trotz der aktuellen Situation zum Beispiel an vielen Fortbildungen und Konferenzen teilgenommen. Es ist wirklich positiv, dass es dadurch international und über Kontinente hinweg die Möglichkeit gibt, miteinander zu kommunizieren und sich auszutauschen.
Welche Rahmenbedingungen müssen sich verändern?
Welche politischen Forderungen habt Ihr?
Das „Covid-19 Katastrophen-Szenario“ sollte in ein „Ermutigungs-Szenario“ umgewandelt werden. Die Menschen werden mit Informationen überfordert, die viele gar nicht verstehen und wenig aussagekräftig sind. Natürlich sehe ich, dass die Situation ganz neu ist und das Hin und Her ist dadurch auch irgendwo verständlich. Weiterhin fordern wir mehr Teilhabeförderung. Wir müssen aufzeigen, wer die Verlierer:innen der aktuellen Situation sind, genauer hinschauen und zwar hier und im Globalen Süden und ihnen eine Stimme geben. Genau das versuchen wir mit dem Portal.
Wenn wir die universellen Menschenrechte anerkennen und wirklich umsetzen, dann würde dies die Situation für viele Menschen auf dieser Welt positiv verändern und zu mehr Gerechtigkeit führen. Es geht darum, gemeinsam unsere Zukunft mit dem Leitmotiv „Für Frieden und eine gerechte Welt – für alle!“ zu gestalten.