Lebensstil einer Kommune
Auf die Kommunen entfallen bis zu 50% des jährlichen Beschaffungsumfangs: Pflastersteine für die öffentlichen Plätze, IT- und Büroausstattung, Grabsteine für den städtischen Friedhof, Berufsbekleidung für die Feuerwehr, Spielzeug für die Kita – und vieles mehr. So bilden die Kommunen in Deutschland eine gewaltige Nachfragemacht. Die Frage nach der Ausrichtung und den gesetzlichen Grundlagen der kommunalen Beschaffung ist damit von erheblicher entwicklungspolitischer Relevanz. Wie kaufen Kommunen in der Einen Welt? Unter welchen Produktions- und Arbeitsbedingungen werden die verschiedenen Produktgruppen in der kommunalen Beschaffung hergestellt?
Nachhaltige kommunale Beschaffung
Bereits über 200 Kommunen haben heute in Deutschland Beschlüsse zu Sozial- und Umweltstandards gefasst; und setzen damit ein Zeichen für Menschenrechte und Umweltschutz und für nachhaltige Gemeinwohlorientierung. Kommunale Maßnahmen wie jene im Rahmen eines fairen Beschaffungswesens fördern somit eine nachhaltige Entwicklung in lokalen wie auch globalen Zusammenhängen: vom Kampf gegen Klimawandel und Armut bis zur Fairness im Welthandel.
Anreize und Sanktionen
Verschiedene Beschlüsse und Erklärungen auf nationaler wie internationaler Ebene betonen und anerkennen ebenfalls die Rolle der Kommunen in der entwicklungspolitischen Arbeit und der nachhaltigen Entwicklung. Dem Beschaffungswesen kommt in der Kommunalverwaltung eine besondere Funktion zu. Wegen seines Querschnittcharakters kann es durch Vorgaben und Entscheidungen Einfluss auf das Nachhaltigkeitsverständnis der eigenen Kommunalverwaltung nehmen. Kommunen können ihr Beschaffungsverhalten dabei durch einen formalen Beschluss binden und sich auf die Beschaffung von Produkten unter sozialen, ökologischen und nachhaltigen Standards selbst verpflichten.
In den letzten Jahren zentralisieren einige Kommunen ihre Einkäufe durch elektronische Beschaffungsplattformen. Andere Kommunen bilden Einkaufsgemeinschaften mit anderen Kommunen oder innerhalb einer Region. Mit diesen strategischen Ansätzen wird vordringlich das Ziel verfolgt, Geld zu sparen. Gleichzeitig lässt sich damit die nachhaltige Beschaffung fördern, denn die Vorprüfung der zentral zur Verfügung gestellten Güter und Anbieter erlaubt auch die Vorauswahl nach Nachhaltigkeitskriterien und entlastet damit die einzelnen BeschafferInnen. Auch die Weiterbildung von Beschaffer:innen lässt sich so arbeitsteiliger und damit effektiver organisieren. Dabei zeigt sich, dass die Nachhaltigkeit selbst ein Leitbild ist, welches Transformationsprozesse nicht nur einleiten, sondern langfristig begleiten kann.
Weiterbildung und Beratung
Der Bereich der Weiterbildung und Sensibilisierung – ob zu Blumen, IT, Berufsbekleidung – ist auch ein zentrales Arbeitsfeld der Eine-Welt Landesnetzwerke, die auch gerne über die Landesgrenzen kooperieren. In Hessen gab es beispielsweise bereits Weiterbildungen für Beschaffer:innen und pädagogisches Personal zu sozial verträglich hergestelltem Spielzeug und Globalem Lernen. Bei Interesse, diese oder eine andere Weiterbildung in Ihrer Kommune anzubieten, schreiben Sie gern an annika.waymann@epn-hessen.de.
Auf dem Weg zur nachhaltigen Beschaffung in kleinen und großen Schritten: Beispiele aus
der Praxis
Fairtrade Towns
Fairtrade-Towns sind mittlerweile rund um den Globus zu finden. In 24 Ländern haben sich bereits über 1.000 Städte den Titel gesichert, viele Fairtrade-Towns sind Partnerstädte von deutschen Kommunen. Die Kampagne Fairtrade-Towns wird von TransFair getragen und bringt unterschiedliche AkteurInnen aus Handel, Politik und Zivilgesellschaft zusammen. Auch das Thema öffentliche Beschaffung spielt eine Rolle – und lässt sich von der Fairtrade Town gut weiter ausbauen.
Webseite der Kampagne Fairtrade-Towns
Kampagne „Sachsen kauft fair!“
Die Kampagne „Sachsen kauft fair!“ engagiert sich für eine faire Beschaffung in den sächsischen Kommunen und ist damit bisher einzigartig in Deutschland. Alle sächsischen Kommunen werden in diesem Rahmen aufgerufen, soziale und ökologische Kriterien verbindlich in die Vergabepraxis
aufzunehmen.
Webseite der Kampagne „Sachsen kauft fair!“
Politisches Engagement deutscher Kommunen: Ratsbeschlüsse gegen ausbeuterische Kinderarbeit und zu einer fairen Beschaffung
Ratsbeschlüsse gegen ausbeuterische Kinderarbeit gibt es mittlerweile bereits in mehr als 260 Städten und Gemeinden in Deutschland. Und auch hinsichtlich Ratsbeschüssen zu Fairer Beschaffung gehen mittlerweile einige Kommunen in Deutschland mit gutem Beispiel voran.
Beschlüsse zu nachhaltiger Beschaffung
17. Februar 2006, Neuss – Faire Beschaffung von Dienstkleidung
Die beiden nordrhein-westfälischen Städte Neuss und Düsseldorf haben es in Sachen ‘sauberer’ Arbeitskleidung vorgemacht. Seit dem Ratsbeschluss der Stadt Neuss vom 17. Februar 2006 soll nur noch Dienstkleidung eingekauft werden, die unter Beachtung der ILO-Sozialstandards produziert wird.
Beratungsunterlage Stadt Neuss (PDF)
17. Juli 2002, München – Beschaffungskriterien gegen ausbeuterische Kinderarbeit
Die Neuregelung des Münchner Vergabegesetzes, die im April 2003 in Kraft trat, etablierte Beschaffungskriterien gegen ausbeuterische Kinderarbeit. Mit dieser Initiative war München die erste deutsche Kommune, die ein entsprechendes Vergabekriterium eingesetzt hat.
Vorlagen Nr. 02-08 / V 00522 (PDF)
Hessische Kommunen mit Beschlüssen gegen ausbeuterische Kinderarbeit
Urteile der Oberverwaltungsgerichte in Koblenz und München sprachen den Kommunen die Kompetenz ab, ohne Ermächtigung ihres Bundeslandes in ihren Friedhofsatzungen das Aufstellen von Grabsteinen aus Kinderarbeit zu verbieten. Doch obwohl die hessische Landesregierung immer noch keine entsprechende Ermächtigung erlassen hat, haben auch in Hessen zahlreiche Kommunen Beschlüsse gegen den Einkauf von Produkten und Dienstleistungen mit ausbeuterischer Kinderarbeit verabschiedet.
Liste der Kommunen mit Beschlüssen gegen ausbeuterische Kinderarbeit