Das EU Gemeinschaftsrecht regelt den freien Wettbewerb um die öffentliche Auftragsvergabe in der EU. Die Berücksichtigung sozialer Standards war in dieser Rechtslage in der Vergangenheit nicht vorgesehen. Wenn es um Nachhaltigkeit und Fairness in der Vergabe öffentlicher Aufträge ging, war – und ist – oft noch die Rede von so genannten „vergabefremden“ Kriterien. Am 17 September 2002 erkannte die EU die Wichtigkeit ökologischer und dem Gemeinwohl dienenden Kriterien bei der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge in Europa an. Am 30 April 2004 erfolgte eine Reform der Vergaberichtlinien durch eine Entscheidung des Europäischen Gerichthofes, so dass soziale und ökologische Kriterien berücksichtigt werden können.
Am 18.04.2014 trat die neue Europäische Vergaberichtlinie im Amtsblatt EU Nr. L94 in Kraft und löste die Vorgaben aus 2004, die in Deutschland erst in 2009 umgesetzt worden sind, ab. Die neue Richtlinie muss nun bis April 2016 in deutsches Recht umgesetzt werden. Bis dahin gilt weiterhin die ebenerwähnte Richtlinie aus 2004.
Richtlinie 2014/23/EU
Richtlinie 2014/24/EU
Zu den zentralen Verbesserungen gehört u.a. die Aufwertung von umwelt-, sozial- und arbeitsrechtlicher Verpflichtungen zu einem allgemeinen Vergabegrundsatz. Positiv zu bewerten ist auch, dass es nun erlaubt ist,
a) deren nachweisliche Einhaltung entlang der gesamten Lieferkette einzufordern,
b) die Anwendung der Kriterien auf verschiedene Stufen im Vergabeverfahren sowie auf stoffliche wie nicht stoffliche Merkmale des Endprodukt zu erweitern.
Das ermöglicht etwa auch die Berücksichtigung nicht-stofflicher Merkmale wie Kinderarbeit im Produktionsprozess – ein „nicht-stoffliches Merkmal“, das den Produkten im Nachhinein nicht angesehen werden kann.
Die neue Leitlinie setzt keine Mindeststandards, und die Entscheidungsbefugnis bleibt letztendlich beim Bund, die Länder und die Kommunen einer sehr zersplitterten bundesdeutschen Vergabelandschaft überlassen. Um die Kontrolle und damit Durchsetzungsfähigkeit angestrebter Standards zu fördern, sollten Multistakeholder-Initiativen zur Verifizierung der Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards gefördert, eine personell gut ausgestatte Kontrollstelle eingerichtet und messbare Zielsetzungen für die Auftragsvergabe definiert werden. Mit diesen konkreten Maßnahmen wird die Berücksichtigung dieser Veränderungen nicht nur möglich oder erlaubt, sondern auch wahrscheinlich(er).
Erläuterung der EU-Kommission zu der Vergaberichtlinie für klassische öffentliche Auftraggeber.