Die Agenda 2030 trägt den programmatischen Titel „Transformation unserer Welt“ und macht damit deutlich, dass es sich um einen globalen Handlungsrahmen handelt, der tiefgreifende Veränderungen hin zu einer nachhaltigen, gerechten und zukunftsfähigen Entwicklung einleiten soll. Im Mittelpunkt steht die Überzeugung, dass nachhaltiger Fortschritt nur möglich ist, wenn Umwelt und Klima geschützt, natürliche Lebensgrundlagen dauerhaft gesichert und alle Menschen – unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder Lebenssituation – einbezogen und gleichberechtigt behandelt werden. Entwicklung darf weder auf Kosten ökologischer Ressourcen noch zum Nachteil anderer gesellschaftlicher Gruppen stattfinden.
Die Lösung der globalen Problemlagen erfordert deshalb einen umfassenden Wandel in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft – eine sozial-ökologische Transformation, die bestehende Strukturen kritisch hinterfragt und neu ausrichtet. Die Spannungsfelder, Herausforderungen und Chancen, die mit den globalen Nachhaltigkeitszielen verbunden sind, verlangen mutige Entscheidungen, neue politische Konzepte und ein konsequentes Denken in langfristigen Perspektiven. Um die Agenda 2030 wirksam umzusetzen, müssen Bottom-up-Ansätze gestärkt, konkrete Forderungen formuliert und innovative Vorschläge entwickelt werden. So wird die Agenda zu einem lebendigen politischen Projekt, das von vielen Akteur*innen getragen und aktiv weiterentwickelt wird.
Die Sustainable Development Goals (SDGs) bieten hierfür seit 2015 einen gemeinsamen Orientierungsrahmen, der ökologische, soziale und ökonomische Belange zusammenführt. Sie laden dazu ein, Zukunftsvisionen zu formulieren und deren Verwirklichung auf lokaler Ebene zu verankern. Damit sind sie nicht nur Zielvorgaben, sondern fungieren auch als Leitlinien für Verwaltungen, Kommunen und zivilgesellschaftliche Akteure. Eine zentrale Herausforderung besteht darin, Nachhaltigkeit zugleich als Querschnittsprinzip zu verstehen und die spezifischen Anforderungen einzelner Fachbereiche zu berücksichtigen.
Die Agenda 2030 verfolgt dabei einen universellen Ansatz: Sie betrachtet alle Staaten gleichermaßen als Länder mit Entwicklungsbedarf – auch hochindustrialisierte Gesellschaften. Nachhaltigkeit wird damit nicht länger als Aufgabe des globalen Südens verstanden, sondern als gemeinsame Verantwortung. Gleichzeitig wird die besondere Rolle wohlhabender Industriestaaten hervorgehoben, die durch ihren Ressourcenverbrauch und ihre Wirtschaftsstrukturen einen überproportionalen Einfluss auf globale Umwelt- und Klimafolgen haben. Daraus erwächst eine Verpflichtung, sowohl im eigenen Land tiefgreifende Veränderungen voranzutreiben als auch internationale Transformationsprozesse solidarisch zu unterstützen.
Besonders Kommunen, Städte und Gemeinden übernehmen bei der Umsetzung der 17 Nachhaltigkeitsziele eine Schlüsselrolle. Der Großteil der SDGs wirkt unmittelbar im Lebensumfeld der Menschen – weshalb urbane Räume zu Recht als „Motoren nachhaltiger Entwicklung“ gelten. Etwa zwei Drittel der Unterziele können direkt durch kommunales Handeln beeinflusst werden, etwa in Bereichen wie Stadtplanung, Infrastruktur, Bildungs- und Sozialpolitik, lokale Wirtschaftsförderung und Verwaltungsstrukturen.
Im Frühjahr 2026 stehen in Hessen die nächsten Kommunalwahlen an – ein Zeitpunkt, an dem Bürger:innen neu entscheiden, wer ihre Städte, Gemeinden und Landkreise politisch gestaltet. Die kommenden Wahlen sind nicht nur aus demokratischer Perspektive wichtig, sie sind auch zentral für die Umsetzung der Agenda 2030 und ihrer 17 Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDGs). Denn während die SDGs häufig mit internationaler Politik, großen Klimakonferenzen oder globalen Entwicklungsprozessen in Verbindung gebracht werden, spielt sich ein Großteil ihrer konkreten Umsetzung vor Ort, in den Kommunen, ab.
Kommunen als Schlüsselakteure der Agenda 2030
Kommunen und Städte in Hessen sind nicht nur Verwaltungseinheiten – sie sind Lebensräume. Genau dort entscheidet sich, ob Nachhaltigkeit spürbar wird. Rund zwei Drittel der SDGs sind direkt oder indirekt mit kommunalen Aufgaben verbunden. Häufig wird unterschätzt, wie viele alltägliche Entscheidungen der kommunalen Politik mit den Zielen der Agenda 2030 zusammenhängen.
Einige Beispiele:

SDG 11 – Nachhaltige Städte und Gemeinden
Ein klassisches kommunales Feld. Städte gestalten:
- ÖPNV und Radwege, die über nachhaltige Mobilität entscheiden,
- Wohnbauplanung, die beeinflusst, ob bezahlbarer Wohnraum entsteht,
- Stadtgrün, Parks und Spielplätze, die Lebensqualität und Klimaresilienz stärken.
Wenn Kommunen z. B. zusätzliche Bäume pflanzen, klimaneutrale Neubaugebiete planen oder barrierefreie Haltestellen schaffen, setzen sie direkt SDG 11 um.

SDG 3 – Gesundheit und Wohlergehen
Gesundheitsförderung beginnt vor Ort:
- kommunale Sport- und Freizeitangebote,
- Präventionsarbeit in Kitas und Schulen,
- lokale Hitzeaktionspläne, die angesichts zunehmender Extremtemperaturen immer wichtiger werden.
Ein schattenspendender Platz auf der Frankfurter Zeil, ein Trinkwasserbrunnen am Gemüsemarkt in Fulda, ein neuer Fahrradweg in Edertal – all dies könnten direkte Beiträge zu SDG 3 sein.

SDG 4 – Hochwertige Bildung
Bildung ist ein kommunales Kernthema:
- Ausstattung von Schulen,
- Förderung der frühkindlichen Bildung,
- lokale Bildungsprojekte oder Nachhaltigkeitsinitiativen.
Viele Kommunen unterstützen außerdem Angebote der entwicklungspolitischen Bildung – ein weiterer direkter Bezug zur Agenda 2030.

SDG 13 – Maßnahmen zum Klimaschutz
Kommunen entscheiden über:
- lokale Klimaschutzkonzepte,
- Energieeffizienzstandards,
- Solarausbau auf öffentlichen Gebäuden.
Wenn ein Rathaus auf erneuerbare Energien umstellt oder eine Kommune ein Förderprogramm für Solaranlagen auf Privathäusern auflegt, wird das SDG 13 umgesetzt – konkret und sichtbar.

SDG 10 – Weniger Ungleichheiten
Hier spielen Kommunen eine wichtige Rolle bei:
- Integrationsarbeit,
- Förderung sozialer Teilhabe,
- barrierefreie Infrastruktur.
Integrationskurse, Sozialpässe für Kulturangebote oder inklusive Stadtplanung sind lokal gesteuerte Maßnahmen, die soziale Ungleichheiten abbauen.
Diese Beispiele zeigen: Die SDGs sind keine abstrakten UN-Ziele, sondern sie greifen tief in das alltägliche Leben der Menschen in Hessen ein – häufig ohne dass dies bewusst wahrgenommen wird.
Warum wird kommunale Politik selten mit den SDGs verbunden?
Trotz dieser starken inhaltlichen Verknüpfung werden die SDGs in kommunalen Debatten oft kaum erwähnt. Dafür gibt es mehrere Gründe:
- SDGs gelten als „global“, obwohl sie lokal wirksam werden.
- Kommunalpolitik ist häufig von pragmatischen Alltagsproblemen geprägt – Müllabfuhr, Straßenbau, Kitas –, wodurch die Verbindung zu internationalen Zielen manchmal unsichtbar bleibt.
- Außerdem hat die öffentliche Aufmerksamkeit für die Agenda 2030 in den letzten Jahren nachgelassen, obwohl die Herausforderungen – Klimakrise, soziale Gerechtigkeit, globale Verantwortung – weiter steigen.
Gerade in Zeiten, in denen globale Nachhaltigkeitsziele weniger mediale Präsenz bekommen, ist es besonders wichtig, die Rolle der Kommunen zu stärken und die Verantwortung der Lokalpolitik sichtbar zu machen.
2026 wird entscheidend – und Bürger:innen und Zivilgesellschaft können mitgestalten
Die Kommunalwahlen 2026 bieten die Chance, Nachhaltigkeit und globale Verantwortung wieder stärker in den Mittelpunkt zu rücken. Bürger:innen können durch ihre Wahlentscheidung – aber auch durch direkte Fragen und Gespräche – dazu beitragen, dass die Umsetzung der Agenda 2030 in den kommunalen Wahlprogrammen sichtbar wird.
Wir möchten daher dazu einladen, Kandidierende im Wahlkampf gezielt zu Themen der Nachhaltigkeit und globalen Verantwortung zu befragen. Die Frage „Wie setzt Ihre Kommune die SDGs um?“ sollte zu einer selbstverständlichen Wahlfrage werden.
Einladung: Austausch zur kommunalen Umsetzung der SDGs am 04.März 2026 in Frankfurt
Als Entwicklungspolitisches Netzwerk Hessen wollen wir diesen Prozess aktiv unterstützen. Deshalb organisieren wir am 04. März in Frankfurt gemeinsam mit dem Haus am Dom eine Veranstaltung, auf der wir gemeinsam mit Vertreter:innen und Kandidat:innen aus Kommunalpolitik, Zivilgesellschaft und interessierter Öffentlichkeit diskutieren. Wir laden alle Interessierten herzlich ein, sich zu informieren, mitzudiskutieren und gemeinsam Impulse für eine nachhaltige Kommunalpolitik zu setzen.
