
Öffentlicher Einkauf – fair, ökologisch & sozial!
Öffentliche Beschaffung – Ausbeutung mit Steuergeldern?
Beschaffung meint den Einkauf der öffentlichen Hand in Bund, Land und Kommunen aber auch bei privaten Trägern wie Kirchen, Verbänden oder Vereinen oder auch in der Schule. In der BRD wird etwa jeder sechste Euro von der öffentlichen Hand für Güter, Dienstleistungen und Bauaufträge ausgegeben. Das sind bei Bund, Ländern und Kommunen jährlich rund 360 Mrd. Euro oder ca. 15 % des bundesdeutschen BIP. Ungefähr die Hälfte davon entfällt auf die Kommunen, die christlichen Kirchen kaufen für etwa 60 Mrd. Euro ein.
Die Produktpalette öffentlicher Beschaffung reicht von Materialien für Bau und die Erhaltung öffentlicher Gebäude und Infrastruktur über Dienstkleidung und Büromaterialien bis hin zu Produkten des täglichen Bedarfs, wie Kaffee oder Tee. Noch wird hierbei viel zu selten gefragt, woher diese Einkäufe von Gütern und Dienstleistungen kommen und unter welchen Bedingungen sie produziert wurden: Wurden die Pflastersteine vor dem Rathaus mit Kinderarbeit hergestellt? Wurde beim Einkauf der IT-Ausstattung in den Ministerien auf Arbeitsbedingungen und Umweltbelastung entlang von Produktions- und Dienstleistungsketten geachtet oder darauf, ob die Dienstkleidung in Krankenhäusern in (arbeits)rechtsfreien Weltmarktfabriken genäht wurde? Werden die Reinigungskräfte des Landes oder der Stadt noch nach tariflichen Regelungen bezahlt?
Mit ihrem enormen Einkaufsvolumen besitzt die öffentliche Hand eine erhebliche Marktmacht, die sie dazu einsetzen kann, durch entsprechende Kriterien in ihrer Auftragsvergabe, die Berücksichtigung von Sozial- und Umweltstandards zu fordern und damit sozial verantwortlich handelnde Unternehmen gezielt zu fördern! Dank unermüdlicher und gut vernetzter zivilgesellschaftlicher Bemühungen setzt sich in Politik und Verwaltung zunehmend ein modernes Verständnis von Vergabe und Beschaffung durch, welches die sozial und ökologisch verantwortliche Beschaffung als wichtige Gestaltungsaufgabe vorsieht. Auf Ebene der EU, des Bundes, der Länder und Kommunen wurden neue Richtlinien, Verordnungen oder Empfehlungen erlassen, Beratungsstellen eingerichtet und Leitfäden verfasst.
Zivilgesellschaftliche Organisationen sind in diesen Prozessen beratend tätig oder nehmen öffentlich Stellung, stellen relevante Informationen bereit und verweisen auf gute Beispiele, mobilisieren durch Kampagnen das öffentliche Bewusstsein und drängen auf die Einhaltung internationaler Standards wie die Kernarbeitsnormen der Vereinten Nationen.
Auch das EPN Hessen arbeitet seit Jahren zum Thema verantwortlicher Einkauf und Beschaffung und will mit Beratungs- und Weiterbildungsangeboten, Fachgesprächen, Workshops und Stellungnahmen zur verbindlichen Regelung sozial und ökologisch verantwortlicher Beschaffung in Hessen beitragen. In diesem Themenschwerpunkt zu nachhaltiger Beschaffung finden Sie daher eine Zusammenstellung relevanter Informationen, u.a. zu rechtlichen Rahmenbedingungen, Vergaberecht in Hessen, Informationen zur Arbeit vom Bündnis für eine faire Vergabe in Hessen sowie weiterführende Materialien und Leitfäden.
Nachhaltige Beschaffung – ein entwicklungspolitisches Thema?
Warum ist das Thema Beschaffung seit vielen Jahren ein zentrales Arbeitsfeld des Dachverbandes der Eine Welt Landesnetzwerke (agl) sowie vieler weiterer entwicklungspolitisch aktiver Nichtregierungsorganisationen?
1) Produktions- und Konsumverhältnisse bestimmen für alle Menschen auf diesem Erdball über Ein- und Auskommen. Sie bestimmen unsere Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, wie auch über Gesundheit, Ernährung, Bildung, Umweltbedingungen – kurz: über unser aller (Über-)Leben.
2) Produktions- und Arbeitsverhältnisse waren und sind Ergebnisse und Kompromisse gesellschaftlicher Kämpfe, ausgetragen von Gewerkschaften, ArbeiterInnenassoziationen, Landlosen, bäuerlichen Kooperativen, u.a.m. In Zeiten der Globalisierung wird die Unterstützung dieser Kämpfe durch politisch bewussten Konsum, den Fairen Handel sowie transnationale Netzwerke und Kampagnen immer wichtiger.
3) Diese können effektive politische Steuerungsmechanismen zur Regulierung der grenzüberschreitenden wirtschaftlichen Globalisierung keineswegs ersetzen. Um globale Umwelt- und Sozialstandards durchzusetzen braucht es international wie lokal verbindliche rechtliche Vorgaben und Sanktionen – aber auch Anreize!
4) Die öffentliche Hand verfügt hier über eine besondere Marktmacht, um durch bewussten Konsum und öffentliche Beschaffung verantwortliches Wirtschaftshandeln zu fördern und zu fordern. Sie ist verpflichtet – auch in der treuhänderischen Vergabe von Steuergeldern – sowohl Menschenrechte als auch Umweltschutzvereinbarungen zu wahren.
Entwicklungspolitische und Menschrechtsorganisationen nehmen die Politik deshalb in die Pflicht und klagen beharrlich die globale Berücksichtigung von Sozial- und Umweltstandards als legitime Kriterien der öffentlichen Auftragsvergabe ein – von der EU bis zur Kommune.
Auch das EPN Hessen setzt sich dafür ein, dass Aufträge der öffentlichen Hand unter Berücksichtigung ökologischer und sozialer Kriterien vergeben werden, u.a. im Bündnis für eine faire Vergabe in Hessen.
