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Atrium e.V.

Der Verein Atrium e.V. wurde vor 10 Jahren gegründet, um einen Austausch zwischen blinden und sehbehinderten Menschen in Tunesien und Deutschland zu fördern. Aktuell soll z.B. in Tunesien, in Kairouan, ein Zentrum für blinde und sehbehinderte Menschen verwirklicht werden.
Mustapha Ouertani, Beisitz und Gründungsmitglied, hat uns einiges zur Arbeit des Vereins im letzten Jahr erzählt. Vor kurzem ist er aus dem Vorstand zurückgetreten, ist aber weiterhin Mitglied im Verein.

Was hat sich seit dem Beginn der Pandemie für Eure Arbeit geändert?
Für blinde Menschen sind Präsenzveranstaltungen sehr wichtig, da eine Situation so ganz anders wahrgenommen werden kann, als per Telefon oder über Zoom. Wir alle müssen uns erst an diese neuen Methoden der Kommunikation gewöhnen. Durch die Pandemie konnten wir keine Treffen organisieren und alles läuft nur per Telefon. Ein zusätzliches Problem ist, dass wir nicht nach Tunesien reisen können. Im letzten Jahr sind wir am 10. März nach Tunesien geflogen, um vor Ort zu arbeiten und am 14. März hat uns die Nachricht ereilt, dass Covid-19 nun auch dort angekommen sei. Wir wurden sofort in Quarantäne gebracht, am 20. März wurden wir über die Botschaft evakuiert und mussten nach Deutschland zurückkommen.

Was habt Ihr unternommen, um mit der neuen Situation umzugehen?
Wir haben versucht, neue digitale Möglichkeiten zu nutzen, z.B. an vielen Online-Veranstaltungen teilzunehmen oder vermehrt per Telefon zu kommunizieren. Wir versuchen den Kontakt nicht einschlafen zu lassen, wir geben uns Mühe und haben trotz Covid-19 ganz unterschiedliche Online-Veranstaltungen besucht. Wir versuchen die Kontakte gering zu halten und trotzdem miteinander im Gespräch zu bleiben. Trotzdem fehlen die Gespräche nebenbei am Kaffeetisch, die oft noch viel intensiver und nützlicher für unsere Arbeit sein können. Außerdem veröffentlichen wir zunehmend Informationen auf den sozialen Medien und in einem regelmäßig erscheinenden Newsletter , um für die Bedürfnisse und Partizipation von blinden und sehbehinderten Menschen zu sensibilisieren.

Was habt Ihr während dieses Jahres gelernt und welche Chancen seht Ihr jetzt?
Gerade für blinde und sehbehinderte Menschen ist es sehr interessant, in die Online-Welt einzutauchen. Es ist eine ganz neue Lebenserfahrung, wir können visuelle Videomöglichkeiten mit nutzen und die digitale Welt miterleben und miterschließen. Es ist sehr interessant, dass sich die Welt durch die digitalen Möglichkeiten in dieser schwierigen Situation nahegekommen ist. Vor kurzem war ich bei einer Veranstaltung, die digital in Französisch abgelaufen ist – Menschen aus vielen Ländern in Afrika, aus Paris, aus New York, oder ich aus Deutschland, konnten gemeinsam Themen behandeln und miteinander sprechen. Wir müssen nicht weit reisen, um miteinander zu kommunizieren. Die Welt bewegt sich und diese Bewegungsmobilität ist wahnsinnig spannend. Für die Vereinsarbeit ist es momentan sehr hilfreich, dass wir digitale Möglichkeiten nutzen können.

Welche Rahmenbedingungen müssen sich verändern?
Welche politischen Forderungen habt Ihr?

Die Politik ist durch die Pandemie irritiert, fast orientierungslos, und wir sollten uns davon nicht verwirren lassen, sondern unsere Arbeit trotzdem weiterverfolgen. Durch die Pandemie wird jedoch sehr deutlich, wer arm und wer reich ist. Die Armut wird durch Covid-19 verstärkt, gerade in Tunesien ist diese Gefahr noch größer. Die Politik nimmt sich leider nicht die Zeit dafür, sich mit Fragestellungen des globalen Südens zu beschäftigen und hält sich stark zurück. Es ist schwer, der Politik zu zeigen, was die Menschen im globalen Süden brauchen und wie wir wirklich helfen können. Die entwicklungspolitische Arbeit ringt um Anerkennung und um Veränderungen der Strukturen – diese Arbeit ist spannend aber auch anstrengend. Die Strukturen verändern sich viel zu langsam und viel zu wenig.
In Bezug auf die aktuelle Situation dürfen wir nicht vergessen, dass nicht alle ein Haus mit Garten haben, viele sind auf ein Zimmer angewiesen und kommen nicht mehr raus. Das kann besonders für blinde und sehbehinderte Menschen sehr stressig sein.


Eine Welt-Arbeit und die Covid-19 Pandemie

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