In einem breiten Bündnis appellierten die Menschenrechtsorganisation FIAN, die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), das evangelische Hilfswerk Brot für die Welt und weitere zivilgesellschaftliche Organisationen an die Bundesregierung, die Erarbeitung einer UN-Deklaration konstruktiv zu unterstützen, welche die Rechte der Kleinbauern und Kleinbäuerinnen stärken soll. Der aktuelle internationale Rechtsrahmen reiche nämlich nicht aus, um KleinbäuerInnen vor den Bedrohungen ihrer Lebensgrundlage zu schützen. Obwohl sie 70 Prozent der weltweiten Nahrungsmittel produzieren, hätten sie oft selbst nicht genug zu essen: 50 Prozent der weltweit 800 Millionen Hungernden sind Kleinbäuerinnen und Kleinbauern. So werden die EU und ihre Mitgliedstaaten dazu aufgerufen, sich konstruktiv an der Ausarbeitung der „UN-Deklaration für die Rechte von Kleinbäuerinnen, Kleinbauern und anderen Personen, die in ländlichen Regionen arbeiten“ zu beteiligen. Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, haben die Organisationen eine Online-Petition gestartet.
Dieses Phänomen ist überall auf der Welt zu beobachten, Europas Agrar- und Ernährungsindustrie erhöht ihre Exporte von Jahr zu Jahr, für die Bauern und Bäuerinnen jedoch bedeutet dies nicht, dass sie von dem erhöhten Profit etwas abbekommen. Die EU-Agrarpolitik orientiert sich an den Interessen der Agrarindustrie und der landwirtschaftlichen Großbetriebe und forciert Dumpingexporte. Das bleibt nicht ohne Folgen: innerhalb von sechs Jahren haben in der EU drei Millionen Bauernfamilien die Landwirtschaft aufgegeben, besonders seit dem Fall der Milchquotenregelung vor zwei Jahren sind die Preise auf Talfahrt. Wie die im Jahr 2016 veröffentlichte Studie „Böcke zu Gärtnern. Warum die aktuelle Kooperation mit Agrarkonzernen eine nachhaltige Landwirtschaft verhindert“ aufzeigt, steht auch die deutsche Bundesregierung dabei international im Zentrum der Kritik: Oxfam wertete für den Bericht zahlreiche über das Informationsfreiheitsgesetz erhaltene Dokumente und Schulungsmaterialien zu drei öffentlich-privaten Partnerschaften (PPPs) aus. Dabei wird in den aktuellen Kooperationsprojekten im Globalen Süden vor allem auf Agrarkonzerne wie Bayer, BASF und Yara gesetzt und industrielle Landwirtschaft propagiert. Dabei werde unter dem Deckmantel der Entwicklungshilfe einseitig die Agenda großer Agrarkonzerne begünstigt, Empfehlungen für konkrete Markenprodukte ausgesprochen und zum Teil hochgiftige Pestizide eingesetzt. Damit verstößt das BMZ in seinen Kooperationsprojekten mit Agrarkonzernen gegen eigene Vorgaben und übergeht KleinbäuerInnen in allen Instanzen.
Die immer prekärer werdende Lage der KleinbäuerInnen steht somit auch im starken Kontrast zu ihrer Bedeutung: mit ihrem durch die Generationen weitergegebenen Wissen sichern sie traditionelle und ökologische Anbauweisen. Dadurch steuern die KleinbäuerInnen die Grundlage für gesunde, standortgerechte und kulturell angepasste Nahrung bei, die ganz im Zeichen des Nachhaltigkeitsgedankens steht. Doch wird der Zugang zu natürlichen Ressourcen wie Saatgut und Land immer stärker eingeschränkt, vor allem durch Internationale Verträge und nationale Gesetze zu Gunsten von Agrarkonzernen, der Widerstand dagegen wird oftmals kriminalisiert und unterbunden. Mit den anstehenden Fusionen von Dow-DuPont und ChemChina-Syngenta sowie der geplanten Übernahme des US-Konzerns Monsanto durch Bayer könnten in Zukunft drei Megakonzerne fast zwei Drittel des weltweiten Marktes für Saatgut und Agrarchemikalien kontrollieren. Damit hätten sie einen großen Einfluss auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen sowie die Ernährung von Milliarden Menschen.
Eine Vielzahl von zivilgesellschaftlichen Gruppen warnte anlässlich des 17. Aprils davor, dass die Marktkonzentration immer weiter zunehme und die Probleme. Denn hierbei gehe es nicht nur um die Marktmacht, sondern auch die politische Macht. Je größer die Konzerne, desto mehr Macht und Ressourcen hätten sie, die Politik in ihrem Sinne zu beeinflussen. Die Folge: ein in sich geschlossenes, sich selbst verstärkendes, etabliertes System, dass die kleinen Unternehmen chancenlos zurücklässt. Mit ihrer Macht haben Megakonzerne vielfältige Möglichkeiten, Preise anzuheben, Löhne zu senken und mit Patenten sowie anderen Formen geistigen Eigentums den Zugang zu landwirtschaftlichen Produktionsmitteln wie Saatgut und genetischen Ressourcen zu blockieren. Dadurch bringen sie im globalen Süden und auch im Norden Millionen von KleinbäuerInnen in Existenznöte. In der EU haben deswegen mehr als 200 Organisationen die Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager aufgefordert, die Baysanto-Fusion zu verbieten. Auch in den USA haben mehr als 300 Organisationen im Namen von Millionen Mitgliedern und Unterstützern Justizminister Jeff Sessions aufgefordert, die Fusion zu untersagen. In Deutschland haben 24 Organisationen und Netzwerke in einem Aufruf den Stopp der Mega-Fusionen und eine Verschärfung des Kartellrechts gefordert.
Dabei würde eine überbordende Marktmacht die KleinbäuerInnen noch zusätzlich belasten, neben den schon vorhandenen strukturellen Benachteiligungen. Das Beispiel Lateinamerika zeigt auf, wie weit dies die Existenz bedrohen kann: gerade einmal ein Prozent der Landbesitzenden verfügen hier über mehr als 50 Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Flächen. Demnach ist Lateinamerika weltweit die Region mit der größten Ungleichheit in Bezug auf die Landverteilung. Diese und weitere Zahlen wurden Anfang April bei einer Konferenz der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) über verantwortungsvolle Landpolitik in Lateinamerika und der Karibik vorgestellt und bezog sich dabei auf einen Bericht der internationalen Nichtregierungsorganisation Oxfam aus dem Jahr 2016. Das Land mit der höchsten Landkonzentration in Lateinamerika ist laut dem Bericht Kolumbien. Dort besitzen 0,4 Prozent der Landbesitzenden 67 Prozent der fruchtbaren Flächen des Landes, während 84 Prozent der landbesitzenden Bevölkerung mit vier Prozent der Flächen auskommen müssen. Dabei betont der Bericht auch, dass die ungleiche Landverteilung historisch gewachsen und strukturell bedingt sei und damit im Herzen der Ungleichheit innerhalb der Gesellschaften liege und Grund für viele Konflikte sei. Die Rechte von KleinbäuerInnen müssen damit unser aller Anliegen sein, damit Nahrung und Landwirtschaft überall auf der Welt nicht noch weiter der Politik und der Macht der Märkte überlassen wird.